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Lebensversicherung

BGH – Widerspruch bei fondsgebundener Lebensversicherung: Fondsverluste gehen zu Lasten des VN

Kurz und bündig:

Der VN einer im Policenmodell abgeschlossenen Fondsgebundenen Lebensversicherung, der nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden war und dem Vertragsschluss somit noch Jahre später widersprechen durfte, hat gegen den VR keinen Anspruch auf Rückzahlung der eingezahlten Beiträge. Er muss sich die aufgrund deren Anlage in Fonds erwirtschafteten Verluste anrechnen lassen! Damit macht der BGH mit Urteil vom 11.11.2015 (IV ZR 513/14, r+s 2016, 20) denjenigen Wunschvorstellungen einen „Strich durch die Rechnung“, eine schlecht „performende“ Lebensversicherung nach Jahren „umzutauschen“.

Umtausch zwar ja, aber nicht gegen komplette Rückzahlung der Beiträge.

Worum ging´s?

§ 5a VVG in seiner alten (bis zum 31.12.2007) geltenden Fassung erregt seit Jahren die versicherungsrechtlichen und vor allem die verbraucherschützenden Gemüter. Kann es sein, dass einem Versicherungsnehmer (vornehmlich im Bereich der Lebensversicherung) die zur Information über den Inhalt des Versicherungsvertrages konzipierten Unterlagen (insbesondere die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen) erst zusammen mit der Police übermittelt werden, d.h. erst dann, wenn der Vertrag bereits „in trockenen Tüchern“ ist (denn bekanntlich wird der Vertragsschluss ja nach vorausgegangenem Antrag des VN mit dem Zugang der Police formell „besiegelt)?

Ja. Das ging und man nannte es das so genannte Policenmodell.

Dem – gewiss etwas gewöhnungsbedürftigen – Umstand, dass der VN die Vertragsunterlagen erst zusammen mit der Police bekam (und damit bei seiner Antragstellung womöglich die sprichwörtliche „Katze im Sack“ kaufte) trug das VVG in seiner alten Fassung dadurch Rechnung, dass dem VN ein Widerspruchsrecht zugestanden wurde, d.h. mit dem Zugang der Unterlagen (nebst Police) begann eine 14-tägige bzw. (für die Lebensversicherung abweichende) 30-tägige Widerspruchsfrist. Voraussetzung für den Fristbeginn war aber nicht nur der Zugang der Unterlagen, sondern insbesondere auch der Zugang einer Belehrung: Nach § 5a Abs. 2 VVG a.F. musste der VN

„schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt“

werden, d.h. ohne Belehrung kein Fristbeginn.

So weit so gut. Das vermeintlich „Gemeine“ war nun aber, dass § 5a Abs. 2 VVG a.F. in Satz 4 eine „Deadline“ enthielt, wonach die Widerspruchsfrist jedenfalls nach Ablauf eines Jahres ab der Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte, und zwar ungeachtet einer etwaigen Belehrung. Anders ausgedrückt: Nach Ablauf der „Jahresfrist“ war der Versicherer „safe“, auch ohne bzw. auch bei unzureichender Übermittlung der entsprechenden Vertragsunterlagen und ohne entsprechende Belehrung kam der VN nicht mehr so einfach an den Vertrag dran, jedenfalls nicht mittels Widerspruchs, sondern allenfalls durch Kündigung (zu deutlich schlechteren Konditionen).

Nachdem das Policenmodell und insbesondere auch die „Jahresfrist-Deadline“ immer wieder im Fokus kontroverser Diskussionen standen, entschied der EuGH bekanntlich im Dezember 2013, dass § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. europarechtswidrig ist. Eine Bestimmung, nach der ein Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie auch dann erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Widerspruch belehrt wurde, sei nicht mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren.

Die Feststellung der Europarechtswidrigkeit von § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. hatte sodann zur Folge, dass zahlreiche VN von Lebensversicherungen ihre – durchaus berechtigte – Chance witterten, sich von ihren Lebensversicherungen durch einen Widerspruch nach Jahren zu trennen, insbesondere von Fondsgebundenden Lebensversicherungen, deren Fondsperformance zu wünschen und übrig ließ und statt einer erhofften Rendite von mindestens 4% Verluste verzeichnete.

Rechtlich betrachtet fußt dieser „Umtausch“ des Versicherungsvertrages auf § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB, der so genannten Leistungskondiktion: Aufgrund des (auch nach mehreren Jahren  noch) zulässigen Widerspruchs ist der Versicherungsvertrag nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, so dass – rückblickend – auch kein rechtlicher Grund für die Prämienzahlung bestand und bei einer Leistung ohne rechtlichen Grund ist der Leistungsempfänger zur Herausgabe verpflichtet.

Heißt dies dann, dass der VN seine eingezahlten Beiträge „komplett“ zurückerhält? Gilt dies auch dann, wenn diese über Jahre hinweg – mit seinem Einverständnis – in Fonds investiert wurden und diese Fonds – bedauerlicher Weise – „Verluste gemacht haben“. Bekommt der VN auch dann die im Laufe der Jahre eingezahlten 20.000 EUR komplett zurück, wenn hiervon nur noch 10.000 „übrig sind“?

Nein.

Der BGH hat mit seinem Urteil vom 11.11.2015 entschieden, dass sich der VR im Hinblick auf die erlitten Verluste auf die so genannte „Entreicherung“ gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen kann, d.h. der VR als Bereicherungsschuldner habe die Prämie ja nicht mehr vollständig, sondern sei hinsichtlich der erwirtschafteten Verluste entreichert und könne daher nur den noch verbliebenen Teil der eingezahlten Prämien wieder herausgeben. Der BGH führt insoweit aus, dass es sich bei den Fondsverlusten um Vermögensnachteile des Bereicherungsschuldners handele, die bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung zu dessen Gunsten unter dem Gesichtspunkt der Entreicherung zu berücksichtigen sind, da die Fondsverluste nach wirtschaftlicher Betrachtung adäquat kausal auf der Bereicherung zurückzuführen seien.

Soweit noch das Berufungsgericht die Auffassung vertreten hatte, dass die Fondsverluste nicht zu Lasten des VN gehen dürften, sondern diese das Risiko des VR gewesen seien, hebt der BGH hervor, dass es in Fällen bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung von nicht zustande gekommenen oder unwirksamen Verträgen darauf ankommt,

„inwieweit das jeweilige Entreicherungsrisiko nach den Vorschriften zu dem fehlgeschlagenen Geschäft oder nach dem Willen der Vertragsschließenden jeweils der einen oder anderen Partei zugewiesen sein sollte“.

Für die Fondsgebundene Lebensversicherung vertritt der BGH die Auffassung, dass das Verlustrisiko hier – nach dem zum Ausdruck kommenden Willen der Vertragsparteien – dem VN zugewiesen sei. Der VN habe sich immerhin für ein Produkt entschieden, bei dem die Höhe der Versicherungsleistung – abgesehen von der Todesfallleistung – nicht von vorneherein betragsmäßig festgelegt ist, sondern vom schwankenden Wert des Fondsguthabens abhängt. Die – mit Gewinnchancen, aber auch mit Verlustrisiken behaftete – Kapitalanlage sei für den VN neben der Risikoabsicherung ein wesentlicher Gesichtspunkt, wenn er sich für eine fondsgebundene Lebensversicherung entschieden habe. Dies wiederum rechtfertige es grundsätzlich, ihm auch das Verlustrisiko zuzuweisen, wenn der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande kommt und rückabgewickelt werden muss.

Dr. René Steinbeck

Dr. René Steinbeck ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Boutique für Versicherungs- und Haftpflichtrecht Steinbeck und Partner.