Haftpflichtversicherung

Der Motorradführerschein und die Haftung des Fahrlehrers – OLG Schleswig, Urteil vom 11.03.2016

Mit den Sorgfaltspflichten des Fahrlehrers im Rahmen des Motorradunterrichts hat sich das OLG Schleswig in seinem aktuellen Urteil vom 11.03.2016 – Az. 17 U 112/14 – befasst.

Was war passiert?

Der Kläger gab bei der Einfahrt in  einen Kreisverkehr zu viel Gas, ließ die Kupplung zu schnell kommen und verlor dadurch die Kontrolle über das 72 PS starke Motorrad. Er kollidierte mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Zuvor hatte der Kläger Fahrstunden auf einer lediglich 34 PS starken Maschine absolviert, auf welcher ihm zuvor bereits ein ähnlicher Fahrfehler unterlaufen war. Der Kläger verlangte Schadensersatz von dem beklagten Fahrlehrer.

Die Entscheidung des Gericht

Das Gericht gab der Klage statt und führte zur Begründung aus, dass beim Motorradfahrunterricht der Fahrlehrer angesichts seiner verminderten Einwirkungsmöglichkeiten auf den Fahrschüler in besonderem Maße darauf zu achten habe, dass der Fahrschüler an anspruchsvollere Aufgaben des Fahrunterrichts erst dann herangeführt werde, wenn er bei den Grundübungen Sicherheit erlangt habe. Komme es zu gefährlichen Situationen, so müsse der Fahrunterricht nötigenfalls einen Schritt zurück gehen. Dies habe der Fahrlehrer schuldhaft unterlassen, denn auf Grund des Umstandes, dass es bereits zuvor auf einer schwächeren Maschine zu einem Unfall gekommen sei, hätte der Kläger (noch) nicht das stärkere Motorrad fahren dürfen.

Unterlasse der Fahrlehrer zudem eine ordnungsgemäße Dokumentation des Fahrunterrichtes, so werde eine schuldhafte Pflichtverletzung der Ausbildungspflichten vermutet.

Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Schleswig reiht sich nahtlos in die Rechtsprechung der Obergerichte zu den Sorgfaltspflichten von Fahrlehrern im Rahmen des Motorradunterrichts ein, an welche zum Schutze der Fahrschüler ein strenger Maßstab angelegt wird (so bereits BGH NJW 1969, 2197).  Das OLG Schleswig beruft sich ausdrücklich auf die Entscheidung des OLG Hamm 30.01.2004  – Az. 9 U 143/03 – welches die Sorgfaltspflichten wie folgt beschreibt:

„Der Fahrlehrer muss darauf achten, dass keine Überforderung des Schülers vorliegt. Der Fahrlehrer darf einen Motorradfahrschüler erst nach ausreichender Vorbereitung auf Fahrsituationen, wie sie sich dem Motorradfahrer auf öffentlichen Straßen stellen, am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen lassen. Er darf dem Fahrschüler keine Aufgaben stellen, die dieser nicht oder noch nicht meistern kann, weil sie seinem Ausbildungsstand und seinen Fähigkeiten nicht oder noch nicht entsprechen. Da die Eingriffsmöglichkeiten des Fahrlehrers im Rahmen der Motorradausbildung vergleichsweise begrenzt sind, hat der Fahrlehrer die Pflicht, den Motorradschüler nur mit ausreichender Vorbereitung in den öffentlichen Verkehr zu schicken und den Schwierigkeitsgrad der Ausbildung nur sehr behutsam zu steigern. Der Fahrlehrer hat darauf zu achten, dass der Fahrschüler das Motorrad ausreichend beherrscht. Kriterium für das Maß der Überwachungspflichten ist der jeweilige Ausbildungsstand.“

Auswirkungen für die Praxis

Auch wenn die Anforderungen der Rechtsprechung an Fahrlehrer hoch sind, ist doch zu beachten, dass sich das Maß der Überwachungspflichten nach dem jeweiligen Ausbildungsstand richten. Die Haftung des Fahrlehrers ist daher nicht grenzenlos. Gerade deshalb kann Fahrlehrern nur nahegelegt werden, den Ausbildungsstand akribisch zu dokumentieren. Denn ohne eine solche Dokumentation fehlt es an einer hinreichenden Tatsachengrundlage, um den Stand der Ausbildung zu belegen und sich gegebenenfalls zu entlasten.

Hauke Flamming LL.M.

Hauke Flamming ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht und Partner der Boutique für Versicherungs- und Haftpflichtrecht Steinbeck und Partner.