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Kraftfahrtversicherung

Erstattungsfähigkeit von RA-Gebühren bei einem Logistikunternehmen?

Ein Logistikunternehmen mit zahlreichen Fahrzeugen kann bei einem Verkehrsunfall für das 1. Aufforderungsschreiben an die gegnerische Versicherung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nicht ersetzt verlangen. Dies hat das Amtsgericht Hamm mit Urteil vom 07.07.2016 – 17 C 131/16 – entschieden.

Was war passiert?

Das stehende Fahrzeug eines bundesweit tätigen Logistikunternehmens wurde von dem VN der beklagten Versicherung beschädigt. Das Unternehmen nahm für die Geltendmachung des Schadens anwaltliche Hilfe in Anspruch und verlangte die entsprechenden Kosten von der beklagten Versicherung erstattet. Die Klage wurde abgewiesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Zur Begründung führt das Gericht aus, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts nur dann erforderlich sei, wenn der Geschädigte selbst zur Geltendmachung seiner Ansprüche aus besonderen Gründen wie etwa einem Mangel an geschäftlicher Gewandtheit nicht in der Lage sei. Es komme daher nicht darauf an, ob die Klägerin eine eigene Rechtsabteilung unterhalte. Aufgrund der Vielzahl der von der Klägerin gehaltenen Fahrzeuge komme es häufiger zu Unfällen. Das Personal der Klägerin sei daher in der Lage gewesen ein erstes Aufforderungsschreiben selbst zu verfassen.

Kontext der Entscheidung

Beauftragen Unternehmen, insbesondere solche, deren Geschäft sich „rund um Fahrzeuge dreht“, zur Durchsetzung ihrer Ansprüche nach einem Verkehrsunfall einen Rechtsanwalt, so kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen über die Erstattungsfähigkei der hierdurch entstandenen Kosten. Da die Streitwerte in alle Regel gering und entsprechende amtsgerichtliche Urteile daher nicht berufungsfähig sind, gibt es eine Vielzahl von amtsgerichtlichen Urteilen. Ein Blick in diese zeigt eine uneinheitliche Rechtsprechung. Während beispielsweise das Amtsgericht Darmstadt (ZfS 2002, 300) einem Mietwagenunternehmen die Beauftragung eines Rechtsanwalts „gestattet“, verweigert das Amtsgericht Frankfurt am Main dies einem Leasingunternehmen (ZfS 1993, 278). Das Amtsgericht Hagen wiederrum bejaht die Erstattungsfähigkeit bei der Beautragung durch ein Leasingunternehmen (ZfS 1994, 65).

Zur Begründung seinen ablehnden Entscheidung hat sich das Amtsgericht Hamm maßgeblich auf das Urteil des BGH vom 09.11.1994 – VI ZR 3/94 – gestützt. Der BGH führt in dieser Entscheidung (jedoch auch) aus:

„Ist – wie etwa in den vorliegend zu beurteilenden Fällen einer Beschädigung von Autobahn-Einrichtungen wie Leitplanken etc. – die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so wird es grundsätzlich nicht erforderlich sein, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger bzw. seiner Versicherung einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. In derart einfach gelagerten Fällen kann der Geschädigte, ob es sich nun um einen Privatmann oder eine Behörde handelt, grundsätzlich den Schaden selbst geltend machen, so dass sich die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen kann, wenn etwa der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie etwa Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden.“

Man wird nicht von der Hand weisen können, dass die Schadenregulierung sich über die Jahre immer weiter verkompliziert hat. Ob es nun um die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten/Sachverständigenkosten, die Erstattungsfähigkeit von UPE-Zuschlägen oder Verbringungskosten bei der fiktiven Abrechnung oder aber die „Stundenverrechnungssatzproblematik“ geht: Es gibt fast keinen Schadenfall mehr, bei welchem nicht die ein oder andere Position streitig ist. Ein Verkehrsunfall ist daher in aller Regel nicht „einfach“ im Sinne der BGH-Rechtsprechung. Denn dies würde voraussetzen, dass auch die Höhe von vornherein unstreitig ist. Dies wird man jedoch kaum – und dies zeigt ein kurzer Blick in die Praxis – annehmen können.

Es mag sein, dass Mietwagen- und Leasingunternehmen gegenüber Privatpersonen einen Wissenvorsprung haben und über geschäftliche Erfahrung verfügen. Dies ist jedoch mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH nicht entscheidend. Auch wird man den Unternehmen kaum abverlangen können, die sich stets im Wandel befindliche und im Rahmen des Schadensersatzrechts kaum überschaubare Judikatur im Blick zu behalten.

Zu beachten ist zudem, dass die persönlichen Verhältnisse, der Beruf und auch die Qualifikation des Geschädigten einen Anspruch auf Ermäßigung des Schadensersatzes – zu welchem auch die Rechtsverfolgungskosten gehören – regelmäßig nicht begründen. Die eigenhändige Behebung des Schadens mindert diesen nicht. Daher ist es mit den Grundsätzen des Schadensrechts nur schwer zu vereinbaren, wenn man einem Unternehmen eine derartige Schadenminderung abverlangt. Gerade aus der Sicht eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Unternehmers, welcher eine schnelle Erledigung des Schadens anstreben wird, liegt die Einschaltung eines qualifizierten Rechtsanwalts nahe.

Hauke Flamming LL.M.

Hauke Flamming ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht und Partner der Boutique für Versicherungs- und Haftpflichtrecht Steinbeck und Partner.