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Kraftfahrtversicherung

Haftungsverteilung zwischen wartepflichtigem PKW und deutlich zu schnellem Motorrad – OLG Hamm, Urteil vom 23.02.2016

Mit seinem aktuellen Urteil vom 23.02.2016 (9 U 43/15) hat das OLG Hamm entschieden, dass einen Motorradfahrer eine Haftung von 70% trifft, wenn es auf Grund einer deutlich überhöhten Geschwindigkeit (hier mehr als das Doppelte der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) zu einer Kollision mit einem auf die bevorrechtigte – von dem Motorradfahrer befahrende – Straße nach links abbiegenden PKW kommt.

Was war passiert?

Für den Motorradfahrer galt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h , welcher dieser jedoch gänzlich außer Acht ließ. Durch einen Sachverständigen konnte ermittelt werden, dass der Motorradfahrer mit mindestens 121 km/h unterwegs war. Der beklagte Pkw-Fahrer bog mit seinem Fahrzeug langsam nach links ab, als das Motorrad noch ca. 250 m entfernt war. Aufgrund des Abbiegemanövers leitete der Motorradfahrer eine Bremsung ein und wich nach links aus, kollidierte jedoch mit dem abbiegenden Pkw. Bei dem Unfall zog sich der Motorradfahrer schwere Verletzungen zu.

Die Entscheidung des Gerichts

In die Haftungsabwägung hat das OLG zunächst die – hier ! – unfallursächliche, massive Geschwindigkeitsüberschreitung des Motorrades einbezogen. Sachverständigenseits beraten konnte das OLG feststellen, dass bei ausreichender Ausschau der PKW-Fahrer die erhebliche Geschwindigkeit des Motorrads hätte erkennen können. Daher war der PKW-Fahrer gehalten, entweder, was er nicht tat, zügig abzubiegen oder aber das Abbiegen zurück zu stellen. Beides hätte eine Kollision vermieden. Dementsprechend lag eine unfallursächliche Vorfahrtverletzung vor, was zu einer Mithaftung des PKW-Fahrers von 30% führte.

Praxishinweis

Der Einwand der überhöhten Geschwindigkeit wird des Öfteren erhoben, wobei es sich hierbei, und dies zeigt die Erfahrung, auch um eine reine Schutzbehautpung handeln kann. Grundsätzlich ist eine überhöhte Geschwindigkeit des Vorfahrtsberechtigten unbeachtlich. Liegt eine überhöhte Geschwindigkeit vor, muss sich diese ursächlich auf den Unfall selbst bzw. auf das Ausmaß der Unfallfolgen ausgewirkt haben. Als „Kontrolle“ ist stest danach zu fragen, ob sich der Unfall nicht bei Einhaltung der jeweils zulässigen Geschwindigkeit nicht genauso zugetragen hätte.

Hauke Flamming LL.M.

Hauke Flamming ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht und Partner der Boutique für Versicherungs- und Haftpflichtrecht Steinbeck und Partner.