Haftpflichtversicherung

Zur Nebenintervention des Haftpflichtversicherers

Worum geht´s?

Es geht um die Leistung des Haftpflichtversicherers:

  • Was muss dieser tun,
  • wie gestaltet sich der praktische Ablauf und
  • wie ändert sich diese Ablauf, wenn der Haftpflichtversicherer Zweifel an der Redlichkeit seines eigenen Vertragspartners hat?

Diesen grundsätzlichen Fragen sind wir uns anhand eines kurzen Beispielsfalls „auf den Grund gegangen“.

Was war passiert?

Der Versicherte eines Vertrages über eine Privat-Haftpflichtversicherung hatte mit einem Freund einen Campingurlaub unternommen. Den Wohnwagen hatte der Freund des Versicherten angemietet und mit dem Mietunternehmen vereinbart, dass für den Wohnwagen eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 1.000,00 EUR besteht und dass im Falle einer unter diesen Vollkaskoschutz fallenden Beschädigung des Wohnwagens während der Mietdauer dieser Selbstbehalt vom Mieter zu zahlen ist. Während der Mietdauer kam es dann zu einer Beschädigung des Wohnwagens in Gestalt eines etwa 70 cm langen und tiefen Kratzers an der Seitenwand.

Der Haftpflichtversicherer (VR) erhielt hiernach die Schadenmeldung seines Versicherten, mit welcher dieser vorgab, den von seinem Freund angemieteten Wohnwagen während der Mietdauer versehentlich beschädigt zu haben: Er habe vor dem Eintritt des Schadens eine Campinggrill in den Händen gehalten, als er plötzlich gestolpert und mit eben jenem Campinggrill an dem Wohnwagen vorbeigeschrammt sei und hierdurch den Kratzer verursacht habe. Der Versicherte bat den VR um Bestätigung des Versicherungsschutzes.

Zwischenzeitlich hatte auch der Freund des Versicherten dem Mietunternehmen geschildert, dass der Schaden durch den Versicherten herbeigeführt wurde, so dass das Mietunternehmen an den Versicherten herangetreten war und diesen zur Zahlung der Reparaturkosten aufgefordert hatte.

Was beinhaltet die Leistung des Haftpflichtversicherers?

Die Leistung des VR ist eine „2-Stufige“ und ergibt sich aus Ziffer 5.1 AHB:

„Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des Versicherungsnehmers von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen.“

Auf der 1. Stufe prüft der VR die Haftpflichtfrage, d.h. er stellt sich die Frage, ob die Ansprüche des Geschädigten begründet sind (dies, nachdem der Versicherer im Rahmen einer Vorprüfung geklärt hat, dass das in Rede stehende Schadenereignis grundsätzlich vom Versicherungsschutz in zeitlicher und sachlicher Hinsicht gedeckt ist). Der VR prüft mithin, ob die Ansprüche dem Grunde nach begründet sind und, wenn ja, ob der gegen den Versicherten geltend gemachte Anspruch auch der Höhe nach berechtigt ist (in der Praxis läuft dies regelmäßig so ab, dass sich der VR in die Verhandlungen mit dem Geschädigten einschaltet und von diesem ggf. weitere Informtionen anfordert, wie z.B. ärztliche Behandlungsberichte).

Die 2. Stufe hängt dann vom Ergebnis der Prüfung der Haftpflichtfrage ab:

  • Wenn der VR der Auffassung ist, dass die vom Geschädigten gegen den Versicherten geltend gemachten Ansprüche begründet sind, dann hat er den Versicherten „freizustellen“, d.h. er zahlt den Schaden an den Geschädigten (Gewährung von Versicherungsschutz in Gestalt der Freistellung).
  • Wenn der VR der Auffassung ist, dass die vom Geschädigten gegen den Versicherten geltend gemachten Ansprüche unbegründet sind, dann hat er dem Versicherten bei der Abwehr dieser unbegründeten Ansprüche beizustehen (Gewährung von Versicherungsschutz in Gestalt der Abwehrdeckung).
Interessant wird es dann, wenn der VR die Ansprüche für unbegründet erachtet und Abwehrdeckung gewährt. In diesem Fall ist die Haftpflichtversicherung eine Art Rechtsschutzversicherung, d.h. der VR beauftragt auf seine Kosten einen Anwalt, der den Prozess dann für den Versicherten führt. Vertraglich geregelt ist diese umfassende Regulierung- und Prozessführungsbefugnis in Ziffer 5.2 AHB:

„Der Versicherer ist bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben. Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen den Versicherungsnehmer, ist der Versicherer zur Prozessführung bevollmächtigt. Er führt den Rechtsstreit im Namen des Versicherungsnehmers auf seine Kosten.“

Im Grunde hat der Versicherte das Steuer komplett aus der Hand zu geben, d.h. die komplette Abwicklung des Schadens und auch die Entscheidung, sich ggf. auf einen Vergleich einzulassen, steht einzig und allein dem VR zu. Dieser führt die Verhandlungen und er führt auch einen sich ggf. anschließenden Haftungsprozess. Dennoch bleibt der VR zumindest formal im Hintergrund, d.h. er ist nicht Partei eines Rechtsstreits und sämtliche Erklärung gibt er im Namen des Versicherten ab.

In der Praxis verhält es sich so, dass der VR seinen Versicherten über den Stand der Verandlungen informiert und ihm im Falle deren Scheiterns den Hinweis erteilt, dass er womöglich mit der Erhebung einer Klage rechnen muss und für diesen Fall verpflichtet ist, eine etwaige Klageschrift unverzüglich weiterzuleiten, damit von Seiten des VR entsprechende Schritte (unter Beachtung etwaiger Fristen) in die Wege geleitet werden können. Wenn die Klage dann vorliegt, kann allein der VR den zu beauftragenden Anwalt auswählen; der Versicherte kann zwar Wünsche äußern und Empfehlungen erteilen, die letztliche Entscheidung der Anwaltsauswahl bleibt aber beim VR (getreu dem Motto: „Wer die Musik bezahlt, darf sie auch auswählen„).

Zurück zum Fall.

Der Versicherte wurde (nachdem sich der VR noch nicht abschließend geäußert hatte, da ein von ihm in Auftrag gegeben Gutachten noch nicht vorlag) vom Mietunternehmen verklagt. Seitens des VR wurde ihm vorläufig (aufgrund bestehender Zweifel an dem geschilderten Schadenhergang) Abwehrdeckung gewährt und ein Rechtsanwalt beauftragt. Das sodann – nach Klageerhebung – beim VR eingegangene Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der dokumentierte „Streifschaden“ als eindeutiger Rangierschaden bewertet wurde, d.h. ein Schaden, der durch das Rangieren des Wohnwagens verursacht worden sein muss und keinesfalls durch das Hantieren mit einem Campinggrill.

Der VR fragte daraufhin nochmals bei dem Versicherten nach, der nochmals bestätigte, dass der von ihm geschilderte Schadenhergang unter Beteiligung des Campinggrills zutreffend sei.

Was tun?

An diesem Punkt wird die Angelegenheit für VR und Rechtsanwalt kritisch. Der VR hat den Verdacht, dass die ihm geschilderte Version falsch ist (genau genommen eine konstruierte Geschichte des Versicherten und seines Freundes, um die im Falle einer Kostenübernahme durch die Vollkaskoversicherung geschuldete Selbstbeteiligung von 1.000,00 EUR zu sparen und stattdessen die Privat-Haftpflichtversicherung zahlen zu lassen). In derartigen Konstellationen eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Geschädigtem und Versichertem zulasten des Haftpflichtversicherers bleibt dem Versicherer im Grunde nur folgende Vorgehensweise:

  • Versagung des Versicherungsschutzes
  • Niederlegung des Mandats durch den Rechtsanwalt
  • Streitbeitritt des VR auf Seiten des Versicherten
  • Streit über die Deckungspflicht bleibt einem nachfolgenden Deckungsprozess vorbehalten
Im Einzelnen:

1.  Versagung des Versicherungsschutzes

Ein Versicherter, der mit einem Geschädigten kollusiv zusammenwirkt, verletzt die von ihm nach Ziffer 25.2 AHB zu beachtende Obliegenheit zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung. Angesichts des insoweit berechtigten „Arglist-Vorwurfs“ wird der VR nach Ziffer 26.2 AHB leistungsfrei.

Ziffer 25.2 AHB  Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
(…)
Der Versicherungsnehmer (…) hat dem Versicherer ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und ihn bei der Schadenermittlung und -regulierung zu unterstützen.

2.  Niederlegung des Mandats durch den Rechtsanwalt

Der vom VR beauftragte Rechtsanwalt wird die Interessen des Versicherten in Kenntnis der tatsächlichen Sachlage nicht mehr vertreten können und muss das zunächst für diesen übernommene Mandat niederlegen. Die Mandatsniederlegung sollte so rechtzeitig erfolgen, dass der Versicherte seine Rechte wahren und (insbesondere im Anwaltsprozess nach § 78 ZPO) rechtzeitig einen anderen Rechtsanwalt mit seiner Interessenvertretung beauftragen kann (auf eigene Kosten).

3.  Streitbeitritt des VR im Haftungsprozess auf Seiten des Versicherten

Der VR ist gut beraten, den Haftungsprozess zu begleiten und sollte diesem im Wege der Nebenintervention auf Seiten des Versicherten beitreten. Zu beachten ist hierbei, dass sich der VR mit seinem Vortrag nicht in Widerspruch zu der von ihm unterstützten Partei setzen darf, d.h. seine Sicht der Dinge bezüglich des tatsächlichen Schadenhergangs muss der VR im Haftungsprozess für sich be- und ggf. für einen folgenden Deckungsprozess vorbehalten.

§ 66 ZPO – Rechtsstellung des Nebenintervenienten
Der Nebenintervenient muss den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der er sich zur Zeit seines Beitritts befindet; er ist berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, insoweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen.

Wenn der Versicherte mithin einen bestimmten Schadenhergang im Haftungsprozess unstreitig stellt und das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach anerkennt, dann sind dem VR insoweit die Hände gebunden; er ist in dieser Prozesssituation darauf beschränkt, Einwendungen zum Schaden der Höhe nach geltend zu machen.

4.  Streit über Deckung bleibt Deckungsprozess vorbehalten

Wenn der Versicherte im Haftungsprozess verurteilt wird, dann besteht insoweit keine Bindungswirkung des Haftpflichturteils. Der VR kann weiterhin den Versicherungsschutz versagen und im Rahmen eines sich dann ggf. anschließenden Deckungsprozesses darf der VR dann „die Karten auf den Tisch legen“, d.h. er darf hier den nach seiner Einschätzung tatsächlichen Schadenhergang darlegen und sich gegen das Deckungsbegehren des Versicherten unter Hinweis auf seine Leistungsfreiheit wegen dessen arglistiger Obliegenheitsverletzung zur Wehr setzen.

Dr. René Steinbeck

Dr. René Steinbeck ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Boutique für Versicherungs- und Haftpflichtrecht Steinbeck und Partner.